Weltkrebstag 2023: Psychoonkologie – Begleitung in schwierigen Zeiten

Im Gespräch mit der Psychoonkologie im Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe.
Im Gespräch mit der Psychoonkologie im Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe.

, Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe, Berlin

Der Verdacht oder die Diagnose einer Tumorerkrankung können als einschneidendes und belastendes Lebensereignis erfahren werden. Anlässlich des Weltkrebstags möchten wir darauf aufmerksam machen, das neben Operationen, Therapien und weiteren Behandlungen, Betroffene oft auch unter existenziellen Ängsten und Sorgen leiden. Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Hilflosigkeit begleiten die Betroffenen meist zu Beginn und im Verlauf der Erkrankung. Da kann es hilfreich sein, sich einer neutralen Person mitzuteilen, sich im Gespräch zu entlasten und anzuvertrauen.

Die Psychoonkologie ist mittlerweile als ergänzendes Angebot und integrativer Bestandteil der gesamten onkologischen Behandlung anerkannt und geschätzt. Sie begleitet Betroffene und Angehörige während des Krankenhausaufenthalts. Darüber hinaus vermittelt sie ambulante psychoonkologische Weiterbehandlungsmöglichkeiten in Beratungsstellen, psychotherapeutischen Praxen und Selbsthilfegruppen.


Wir haben mit der Psychoonkologin Rahel Magh und dem Psychoonkologen Christian Nawrath aus dem Alexianer Krankenhauses Hedwigshöhe gesprochen:

Wie erkennen Sie, wann psychoonkologische Unterstützung benötigt wird?

Wir stellen uns grundsätzlich bei jeder/ jedem onkologischen Patient*in vor. Dabei können sie entscheiden, ob sie weitere Gespräche mit uns wünschen. Manchmal werden wir auch durch das ärztliche oder pflegerische Personal gebeten, ein Gespräch zu führen; Es gibt auch einige Menschen, die keine Hilfe benötigen oder vielleicht auch erst im Verlauf der Krankheit auf uns zukommen. Das ist für uns alles völlig in Ordnung. Wir helfen, wann und wo wir gebraucht werden.

Im Erstgespräch machen wir uns ein Bild von den Patient*innen und der Situation z. B. mit den ganz einfachen Fragen: Was führt Sie zu uns? Und: Was ist wann bei Ihnen diagnostiziert worden? Betroffene sind oft Expertinnen oder Experten ihrer Probleme. Sie können uns genau sagen, wo der Schuh drückt. Wir zeigen im Gesprächsverlauf auf, welche Hilfeleistungen wir anbieten. Anschließend erarbeiten wir gemeinsam, was davon genutzt werden möchte. Dabei ist es uns wichtig, den betroffenen Menschen zu stärken und eigene Ressourcen zu aktivieren.

Manchmal stellen wir im Gespräch auch fest, dass manch einer zurückhaltend und distanziert wirkt, oder sich mit Worten nicht so gut ausdrücken kann. Dann bedienen wir uns verschiedener Hilfsmittel, wie beispielsweise das „Thermometer des Wohlbefindens“ – gegensätzlich zum Schmerzbarometer. So können sie auf einer Skala ihr Wohlbefinden markieren und wir können die Diskrepanz zwischen Äußerungen und Gefühlen besser auflösen. Dies erleichtert uns den Zugang.

Wie lange dauert eine psychoonkologische Begleitung?

Das ist ganz unterschiedlich und orientiert sich immer am Bedürfnis der Erkrankten. Manchmal ist es nur ein Gespräch, je nachdem, wie lange sie bei uns stationär versorgt werden. Aber manchmal begleiten wir auch durch die gesamte Behandlung und Nachsorge. Wir haben hier im Alexianer Krankenhaus Hedwigshöhe das Glück, dass wir stationäre Patient*innen auch ambulant in unserem MVZ behandeln können – also von der Diagnosestellung über die Chemo-Therapien bis hin zur langfristigen Nachsorge. Wir unterstützen also den gesamten Prozess der Krankheitsverarbeitung.

Wie genau, oder mit welchen Methoden können Sie Betroffene und Angehörige unterstützen?

Oberstes Ziel ist immer, die Erkrankten in der individuellen Situation wahrzunehmen, sie zu stabilisieren und die Resilienz (Widerstandfähigkeit) zu stärken. „So wie Sie sich fühlen ist eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis.“ Dieser Satz führt bei den meisten schon zu einer Beruhigung. Natürlich reagiert jeder Mensch anders, der eine zieht sich eher zurück, der andere redet viel. So unterschiedlich wie die Menschen sind, sind dann auch die Reaktionen auf existenzielle Lebensereignisse.

Und so individuell entscheiden wir gemeinsam mit den Erkrankten, welche Methoden passen und welche angenommen werden können. Wir erklären ganz offen und transparent die Zusammenhänge, damit nicht gedacht wird, das sei alles Hokuspokus. So wird auch die Motivation gefördert, erlernte Methoden und Techniken anzuwenden. Wir bieten beispielsweise Übungen an, die das Stresslevel verringern, aber auch bei Ängsten, Schmerzen oder Schlafstörungen helfen können. Wir möchten, dass sich unsere Patientinnen und Patienten weniger ohnmächtig und ausgeliefert fühlen. Wir möchten ihnen dazu verhelfen, die Situation mitzugestalten und ein Gefühl der Kontrollierbarkeit der Situation zu erlangen. Natürlich bestehen die Gespräche auch zu einem großen Teil darin, zuzuhören und miteinander zu sprechen, was große Erleichterung schaffen kann.

Sie haben täglich mit krebskranken Menschen Kontakt und kennen viele Verläufe. Wie gehen Sie selbst mit den Schicksalen um?

Wir empfinden es nicht als permanent traurige oder überfordernde Situation. Es gibt auch viel Leichtigkeit und Humor in den Gesprächen. Wir sind diejenigen, die Zeit mitbringen und in schweren Momenten für Erleichterung sorgen können und dafür gibt es ganz viel Dankbarkeit zurück.

Wir sehen es als Geschenk an, Vertrauen zu bekommen und in das Leben der Erkrankten eintauchen zu dürfen. Wir hören viel Schönes, was uns berührt. Wichtig für uns als Begleiter ist, dass wir auch wiederauftauchen, uns abgrenzen können und unsere eigenen Kraftquellen kennen.

Sollte das mal nicht so gut gelingen, sprechen wir mit unserem Team. Wir „zeichnen oft das Bild“, dass uns unsere Kranken und auch die Verstorbenen begleiten. Sie zeigen uns ihren Umgang mit Krankheit und dem Sterben. Wir erleben oft, dass sich unsere Kranken mit Würde und Stärke vom Leben verabschieden. Und wir hoffen, dass wir das auch eines Tages können. Von unseren Patient*innen können wir viel lernen im Umgang mit existenziellen Umständen, und auch, was Leben bedeutet, denn letztendlich ist die Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit ja Anlass, sich mit dem Leben zu beschäftigen.


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